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Interessenausgleich und Freiwilligenprogramm bei Personalabbau

Fachartikel: Interessenausgleich und Freiwilligenprogramm bei Personalabbau

Beabsichtigt ein Arbeitgeber den Abbau einer größeren Anzahl von Stellen, steht ihm die betriebsbedingte Kündigung zur Verfügung. Diese hat aufgrund der durchzuführenden Sozialauswahl jedoch zur Folge, dass der Arbeitgeber nicht unabhängig entscheiden kann, welchen Arbeitnehmern gekündigt wird. Oftmals sollen gerade Leistungsträger im Unternehmen verbleiben. Ferner bringt eine Sozialauswahl einen erheblichen Aufwand mit sich und selbst bei einer gewissenhaften Durchführung besteht das Risiko einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sowie dem Vorrang der Änderungskündigung. Der Arbeitgeber hat jedoch ein Interesse daran, möglichst zeitnah Rechtssicherheit über den Abbau der Stellen sowie den damit einhergehenden Kosten zu gewinnen, statt langwierige arbeitsgerichtliche Verfahren zu führen. Das Freiwilligenprogramm bietet einen sinnvollen Baustein bei Personalabbaumaßnahmen.

Das Freiwilligenprogramm

Freiwilligenprogramm bedeutet den systematischen Abschluss von Aufhebungsverträgen zu zuvor festgelegten Konditionen. Die Vorteile sind:

  • Zeitnahe verlässliche Ergebnisse bezüglich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu sozialverträglichen Konditionen
  • Kalkulierbarer finanzieller Aufwand (wenn auch in der Regel teuer)
  • Planbarkeit des Verlustes bestimmter Arbeitnehmer
  • Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit sozial besonders schutzwürdigen Arbeitnehmern (Sonderkündigungsschutz/ordentlich unkündbare Arbeitnehmer)
  • Stärkung der Akzeptanz des Personalabbaus.
  • Schutz der Reputation des Unternehmens

Die Arten des Freiwilligenprogramms

Es kann allen Arbeitnehmern ein Aufhebungsvertrag angeboten werden (Offenes Angebotsverfahren). Es dürfte aber nicht im Interesse des Arbeitgebers sein, Leistungsträger gegen Zahlung einer Abfindung an den Wettbewerb  zu verlieren. Daher bieten sich folgende Möglichkeiten für Angebotsverfahren an::

  • Selektives Angebotsverfahren: Bestimmte Personengruppen/Positionen/Bereiche bekommen Aufhebungsangebote.
  • Eingeschränktes Angebotsverfahren: Es werden Gründe festgelegt, bei denen ein verlangter Aufhebungsvertrag abgelehnt wird, z.B. durch Ausschluss bestimmter Arbeitnehmer durch „Know-how“-Negativlisten oder als Leistungsträger. Die Listen sollten sachliche Gründe für die Herausnahme bestimmter Arbeitnehmer oder Bereiche/Positionen und Erläuterungen zu der herausragenden Bedeutung der Position und der Folge des Ausscheidens des Arbeitnehmers enthalten (Rote Liste).
  • Grüne Liste: Öffnung des Freiwilligenprogramms nur für bestimmte Arbeitnehmer.
  • Gesteuertes Anspracheprogramm: Gezielte Ansprache bestimmter Arbeitnehmer.

Die verschiedenen Arten können nacheinander durchgeführt werden.

Die doppelte Freiwilligkeit

Sinnvoll ist die Vereinbarung einer doppelten Freiwilligkeit: Arbeitnehmer können sich durch Einreichung eines Aufhebungsvertrags auf die Teilnahme am Freiwilligenprogramm bewerben. Der Aufhebungsvertrag kommt zustande, wenn der Arbeitgeber diesen unterzeichnet. Eine Begründung für die Ablehnung bedarf es nicht. Die doppelte Freiwilligkeit muss vor Durchführung des Freiwilligenprogramms festgelegt und kommuniziert werden. Wichtig ist, dass den entsprechenden Arbeitnehmern kein individuell konkretisiertes Angebot zum Abschluss des Aufhebungsvertrags unterbreitet wird. Ist dieses der Fall und muss der Arbeitnehmer nur noch zustimmen, kommt allein dadurch der Aufhebungsvertrag zustande. Die Konditionen des Freiwilligenprogramm sollten daher möglichst nicht der Schriftform der §§ 623, 126 BGB genügen. Vielmehr sollte der Arbeitnehmer selbst ein Angebot unterbreiten, dass der Arbeitgeber annehmen kann.

Ein Freiwilligenprogramm unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 BetrVG. Es sind Unterrichtungs-/Beratungsrechte nach § 92 BetrVG zu beachten. Darüber hinaus ist der Betriebsrat in folgenden Konstellationen zu beteiligen:

  • Schwellenwerte des § 17 KSchG sind erfüllt: Massenentlassungsanzeige
  • Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG: Arbeitgeber muss Interessenausgleich und Sozialplan versuchen
  • Maßnahme ist reiner Personalabbau, der den Schwellenwert des § 112a BetrVG erreicht: Sozialplan ist abzuschließen

Der Interessenausgleich

Liegt dem Freiwilligenprogramm zugrundeliegenden Personalabbau eine Betriebsänderung vor oder ist mit einer solchen verbunden, ist ein Interessenausgleich zu versuchen. Der Interessenausgleich ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Frage des Ob, Wann und Wie einer Betriebsänderung (§§ 111 f. BetrVG). Dies umfasst zum Beispiel:

  • Einschränkung/Stilllegung des ganzen Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile
  • Verlegung des Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile.
  • Grundlegende Änderung der Betriebsorganisation/des Betriebszwecks/der Betriebsanlagen.

Im Rahmen des Interessenausgleichs wird das Freiwilligenprogramm regelmäßig in diesen integriert oder geht diesem voraus. 

Ein Interessenausgleich kann vom Betriebsrat nicht erzwungen werden. Er ist lediglich mit ernstem Einigungswillen zu versuchen. Findet auf betrieblicher Ebene keine Einigung statt, kann die Einigungsstelle angerufen werden. Dort kann der Versuch des Interessenausgleichs endgültig scheitern. Verweigert der Betriebsrat die Einsetzung der Einigungsstelle, muss diese durch den Arbeitgeber gerichtlich eingesetzt werden. Das ist bei der Gesamtplanung der Maßnahme in zeitlicher Hinsicht zu berücksichtigen.

Unterlässt der Arbeitgeber ernsthafte Verhandlungen, riskiert er neben einem Imageschaden zahlreiche Widersprüche des Betriebsrats gegen die geplanten Kündigungen. Sofern die Konsultationspflicht des Betriebsrats bei Massenentlassungen unberücksichtigt bleibt, sind alle Kündigungen unwirksam. Darüber hinaus bestehen Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG, die in der Regel Abfindungsansprüche umfassen. Ferner stellt die Betriebsänderung ohne Beteiligung des Betriebsrats eine Ordnungswidrigkeit dar.